Montag, 31. Januar 2011

Zinserhöhung durch die EZB wäre katastrophal für die EU-Peripherie

Sollten wir uns wegen Inflation in Europa Sorgen machen?, fragt Wolfgang Münchau in einem lesenswerten Essay („Time to get real on Europe’s Inflation Target“) in FT. Oder sollten wir uns gegenwärtig vielmehr über eine Inflation unter dem Zielwert von 2% sorgen? Die EZB warnt bereits über die inflationären Auswirkungen der höheren Rohstoffpreise. „Für eine Zentralbank, die ihre Ziele ernst nimmt, ist das Anliegen gerechtfertigt“, schreibt Münchau weiter. Aber die höheren Nahrungsmittel- und Energiepreise sind nicht einmal das grösste Problem. Eine klarere und mehr präsentere Inflationsgefahr wäre eine Überhitzung der deutschen Wirtschaft zu einem Zeitpunkt, während die europäische Peripherie in einer Depression steckt, bemerkt der Kolumnist der britischen Zeitung aus London. Ist die deutsche Wirtschaft aber überhitzt? Es ist schwer, dies aus den aktuellen Daten des BIP zu schliessen.

War die Finanzkrise vermeidbar, oder nicht?

Der von der Obama-Regierung eingesetzte Untersuchungsausschuss (FCIC) hat vergangene Woche nach Prüfung von Tausenden von Dokumenten einen Schlussbericht vorgelegt. Es ging darum, die Ursachen der Finanzkrise zu entwirren und die Rolle der Regierung und der Banken sowie das Nachbeben der Krise zu erklären. Die 10-köpfige Kommission war jedoch entsprechend der Parteilinie geteilter Meinung. Die sechs Mitglieder der Demokraten stimmten zu, die Ergebnisse des Berichts zu übernehmen. Die vier Mitglieder der Republikaner hingegen gaben zwei Gegenstimmen ab. Keith Hennessey, Mitglied der Republikaner sagte, dass „wir schlussfolgern, dass die Krise vermeidbar war“. The New York Times will in diesem Zusammenhang von einer Reihe von Experten (Anat R. Admati, Yves Smith, William K. Black, Jeffry A. Frieden, Nicole Gelinas, Jeffrey A. Miron) wissen, ob die Schlussfolgerung, dass die Finanzkrise „vermeidbar“ wäre, vertretbar ist? Und was die parteipolitische Trennung in dieser zentralen Frage für künftige politische Entscheidungen bedeutet.

Rohstoffmärkte: Wie sind neue Rekordpreise zu deuten?

Ben Bernankes Geldpolitik hat mit dem Aufruhr in Ägypten natürlich nichts zu tun. Die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik ist für die starken Preissprünge für Grundnahrungsmittel nicht verantwortlich, auch wenn eine Vielzahl von Mainstream-Ökonomen die gegenwärtige geldpolitische Entwicklung als eine Bedrohung der Preisstabilität betrachtet. Während der letzten Preisspitze vor drei Jahren wurde die Schuld Spekulanten in die Schuhe geschoben. Paul Krugman hingegen akzeptiert die Spekulation nicht als Hauptursache. Weil er die Meinung vertritt, dass viele Menschen nicht wissen, zwischen dem Kauf eines Futures-Kontraktes und dem tatsächlichen Horten von Warenbeständen zu unterscheiden, wie er in seinem Blog darlegt. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) zitiert , in diesem Zusammenhang aus der praktischen Studie von Dwight Sanders und Scott Irwin, wonach Indexfonds- Aktivitäten (Kauf) nicht mehr „neue Nachfrage“ generieren als die entsprechenden Verkaufsaktivitäten „neues Angebot“ unterbreiten.

Sonntag, 30. Januar 2011

Fiscal Austerity-Politik hat kläglich versagt

„Fiscal Austerity funktioniert nicht. Man muss nicht weiter suchen. Schauen Sie nach Grossbritannien“, schreibt David Blanchflower in einem lesenswerten Essay in Bloomberg Businessweek. „Das kann keine gute Nachricht für die politischen Rechte in den USA sein. Ihr Mantra lautet: Senkung der Staatsausgaben, Deckelung der Defizite und das Wachstum wird sich verbessern“, erkläutert der am Dartmouth College und an der Universtiy of Stirling lehrende Wirtschaftsprofessor. Es wurde behauptet, wie Blanchflower beschreibt, dass alle Arten von guten Dingen der Austerity-Politik (fiskalpolitische Sparmassnahmen) entspringen werden, wenn mit dem Unsinn von Stimulus aufgehört wird, und die Fed die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (quantitative easing) stoppt. Einsparungen bei den Ausgaben werden, das ist die Theorie von Ricardianische Äquivalenz, nicht schaden, da die niedrige Kreditaufnahme automatisch zu höheren privaten Ausgaben führen wird. „Das ist ein gefährlicher Quatsch“, bemerkt das ehem. Mitglied der britischen Zentralbank (BoE: Bank of England).

FCIC-Bericht erklärt kurz, wie eine synthetische CDO funktioniert

Der Bericht des Untersuchungsausschusses (FCIC), der von der US-Regierung eingesetzt wurde, präsentiert u.a. eine anschauliche Abbildung zum Thema sythetische CDO. Anhand der folgenden Darstellung wird die Art und Weise, wie die synthetischen CDOs à la Abacus von Goldman Sachs funktionieren, erklärt.


Synthetische CDO, Graph: FCIC Bericht

Samstag, 29. Januar 2011

Davos: Stop Bashing the Bankers

Mami, sie verspotten mich! Schluchz, heul, flenn...

FT berichtet („stop bashing the bankers”) aus Davos: “Regierungen in aller Welt müssen aufhören, Banker-Bashing zu betreiben und sie sollen das passende Umfeld für Kreditgeber schaffen, um zusätzliches wirtschaftliches Wachstum zu unterstützen. Einige der weltwelt mächtigsten Bankers werden dies am Samstag Finanzministern mitteilen.“

Nachdem sie eine gigantische Krise ausgelöst haben, mit Millionen von Arbeitslosen, milliardenschweren Rettungsaktionen, Einkassieren von exorbitanten Gehaltscheks und Boni sind die Top-Banker jetzt beleidigt. Sie sprechen von Verrat. Gefühle seien verletzt.

USA: Lücken im sozialen Sicherheitsnetz

Manche Ökonomen haben Präsident Obama aufgefordert, in seiner Rede zur Lage der Nation, zu sagen, dass Amerikas 85-jährige Suche nach einem „starken“ sozialen Sicherheitsnetz (safety net) jetzt abgeschlossen ist. Lane Kenworthy schreibt in einem lesenswerten Beitrag in seinem Blog, dass Amerikas Sicherheitsnetz gemessen an Standards des 21. Jahrhunderts nicht „stark“ genannt werden kann. Es gibt einige Elemente, die unzureichend sind, oder ganz fehlen, hebt der an der University of Arizona lehrende Professor für Soziologie und Politikwissenschaften hervor.

Die 2010 verabschiedete Gesundheitsreform, selbst wenn sie vollständig umgesetzt werden sollte, dürfte wahrscheinlich Millionen von Amerikanern unversichert lassen.

Produktivität: Amerika und EU im Vergleich

Bart van Ark verwendet eine ziemlich schicke statistische Technik (Hodrick-Prescott-Filter), um ein Gefühl für den Produktivitätstrend zu vermitteln. Ein 5-Jahres-Durchschnitt würde aber auch dasselbe Ergebnis liefern, um Konjunkturschwankungen zu glätten. In der Abbildung, die Paul Krugman in seinem Blog vorlegt, ist das „Produktivitätswachstum USA und EU“ (Durchschnitt der vier grössten Volkswirtschaften) im Vergleich seit 1970 zu sehen.


Produktivitätswachstum (5-Jahres-Durchschnitt), GraphProf. Paul Krugman

Weitere Bankschliessungen in Amerika

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Washington Post vier Banken in Colorado, New Mexico, Oklahoma und Wisconsin geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2011 verstaatlicht wurden, auf 11 gestiegen, nachdem im Vorjahr insgesamt 157 Banken gescheitert sind.

Die verstaatlichten 4 Banken verfügen über ein Anlagevermögen von insgesamt  3'371 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen vier Banken belaufen sich für die öffentliche Hand auf 545,5 Mio. $


Bankpleiten:
2011: 11
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 28. Januar 2011

Ratingagentur senkt Japans Bonitätsnote: Na und?

Zum ersten Mal seit 2002 hat eine Ratingagentur Japans Bonitätsnote gesenkt: von AA auf AA-. Standard & Poor’s (S&P) hat die Herabstufung mit dem Hinweis auf die steigende Staatsverschuldung begründet. Merkwürdig: Japans Rating war zuletzt 2002 unter Botswanas gesenkt worden. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung der Ratingagentur auf das Renditeniveau der japanischen Staatsanleihen? Keine. Warum? Weil (1) die Ratingagenturen nicht mehr wissen als der Rest der Menschen auf der Erde, (2) die Ratingagenturen zu schnell dazu übergehen, das Rating eines Landes zu senken, und (3) die Ratingagenturen wenig Einfluss auf den Markt ausüben, wie Paul Krugman in seinem Blog hervorhebt.


Japan Staatsanleihen (10Jahre) Rendite, Graph: Bloomberg.com

Wettbewerbsfähigkeit versus Produktivität

In der in Amerika neulich entfachten Debatte geht es um die Frage, ob die Volkswirtschaft sich selbst entwickelt, oder entwickelt wird. Präsident Obamas Gegner behaupten, dass alles, was an Amerikas Wirtschaft gut ist, sich ohne Lenkung entwickelt habe und alles was, schlecht ist, von der Regierung bzw. vom Staat komme. Das ist natürlich lachhaft. „Amerikas Regierungen werden die wirtschaftliche Entwicklung weiter planen und konzipieren, so wie sie es schon immer getan haben“, schreibt Brad DeLong in einem lesenswerten Essay („Intelligent Economic Design“) in Project Syndicate. Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor sieht jedoch zwei Gefahren in der Debatte: (1) Der Begriff, der verwendet wird, um der Debatte einen Rahmen zu geben: „Wettbewerbsfähigkeit“. „Produktivität“ wäre viel besser, erklärt DeLong. Denn „Wettbewerbsfähigkeit“ trägt die Implikation eines Nullsummenspiels in sich, bei dem Amerika nur gewinnen kann, wenn seine Handelspartner verlieren, beschreibt  der ehem. Staatssekretär im US-Finanzministeriums.

FCIC Bericht: Untersuchungsausschuss der US-Regierung

Ein Untersuchungsausschuss (FCIC: Financial Crisis Inquiry Commission) der US-Regierung hat nach eineinhalb Jahren gestern in Washington ihren 633 Seiten umfassenden Bericht zur Finanzkrise vorgelegt. Die von Präsident Obama eingesetzte Kommission präsentiert auf ihrer Internetseite zahlreiche eindrucksvolle Abbildungen.

Gier, Missmanagement und Tatenlosigkeit seien ausschlaggebende Faktoren gewesen. Einen systematischen Zusammenbruch in Verantwortungsbewusstsein und Ethik habe es gegeben, heisst es in dem von Phil Angelides, dem Leiter des zehnköpfigen Gremiums vorgestellten Bericht.


Shadow Banking System (Schatten Bankensystem), Graph: Financial Crisis Inquiry Commission (FCIC) Bericht.

Die verfügbaren Mittel durch das Schatten Bankensystem sind in den 2000er Jahren so stark gewachsen, dass das gesamte Volumen die Finanzierung durch das herkömmliche Bankensystem vor der Krise überschritt.

Wie qualifiziert ist die Kritik an Fed?

Die US-Notenbank steht unter Druck. Die Kritik an Fed hat insbesondere seit der Ankündigung der QE II-Politik überraschend zugenommen. Jeffrey Frankel fasst in seinem Blog die scharf ausgeübte Kritik unter vier Aspekten zusammen:

(1) „QE ist seltsam“: Die mengenmässige Lockerung (quantitative easing) der Geldpolitik erlaubt der US-Notenbank, eine breitere Palette an Wertpapieren als die traditionell kurzfristigen Schatzwechsel (T-Bills), die sonst im Fokus der Offenmarktgeschäften der Fed stehen, zu kaufen. „Das ist eine kühne Strategie, die niemand vor 3 oder 4 Jahren vorhergesagt hätte. Aber sie ist in unerwarteten Finanzkrisen und Rezessionen angemessen“, erklärt Frankel. „Einige, die QE-Politik erschreckend finden, mögen nicht realisiert haben, dass auch andere Zentralbanken solche Massnahmen treffen und die Fed selbst in der näheren Vergangenheit darauf zurückgegriffen hat“, schildert der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Warum Bankkapital Müll ist

Ein aktuelles Paper der Bank of England (BoE), „Optimal Bank Capital“ (Discussion Paper No. 31, Jan. 2011) befasst sich mit der Frage, wie viel Eigenkapital gerade genug ist, damit eine Bank eine Krise überlebt. Die Autoren David Miles, Jing Yang and Gilberto Marcheggiano schreiben, dass, während Basel III ein Eigenkapital-Verhältnis von 7% zum risikogewichteten Aktiva (risk weighted assets) einer Bank fordert, ihrer Ansicht nach 19% erforderlich sind, wobei sie betonen, dass ihre erste Zahl 50% lautete, oder ein Leverage etwa fünf Mal tiefer als das derzeitige Niveau der Hebelwirkung (leverage) der britischen Banken. Warum? Weil es so einfach ist, einen Preisrückgang der Vermögenswerte quer durch Finanzkrisen zu unterschätzen, insbesondere das Tail Risk.


Leverage der britischen Banken und das reale BIP-Wachstum, Graph: Bank of England (BoE), Optimal Bank Capital, Discussion Paper No. 31

Beschäftigung im Haupterwerbsalter: Amerika und EU im Vergleich

Muss eine Volkswirtschaft entweder gut oder schlecht sein? Es gibt in diesem Zusammenhang eine Beharrlichkeit, die zum Ausdruck kommt, schreibt Paul Krugman in seinem Blog, wenn er die europäische Performance in Sachen Beschäftigung und Technologie positiv würdigt, während er aber Europa wegen des geld- und fiskalpolitischen Chaos die Leviten liest. „Die Wirtschaft hat keine Moral“, betont der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008). Amerika war in den frühen 1930er Jahren ein Volk von grosser Dynamik, mit Abstand an der Spitze der Technologie. Das hat das Land aber nicht davor geschützt, eine viel schlimmere Grosse Depression als die meisten anderen entwickelten Länder zu erleben. Amerika war von 1973 bis 1995 eine Nation mit einer bemerkenswert schlechten Produktivität und einem stagnierenden Durchschnittseinkommen. Aber es war erfolgreich, was die Schaffung von Arbeitsplätzen betrifft, erklärt Krugman, wie Grossbritannien von 1950 bis 1970.


Prime-age Employment (Haupterwerbsalter), Graph: Prof. Paul Krugman

Produktivität: Norwegen und Irland vor Amerika

Es gibt unterschiedliche Definitionen von Produktivität. Präsident Obama hat in seiner Rede zur Lage der Nation den Anspruch erhohen, dass die amerikanischen Arbeitnehmer die produktivsten der Welt sind. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat neulich berichtet, dass die USA die höchste Arbeitsproduktivität aufweisen, im Jahre 2008 gemessen an der Wirtschaftsleistung (economic output) je erwerbstätige Person. Aber das beste Mass für die Produktivität ist wahrscheinlich „output per hour“, d.h. Wirtschaftsleistung pro Stunde. Gemessen daran teilt das amerikanische Arbeitsministerium (Bureau of Labor Statistics) mit, dass die USA den dritten Rang hinter Norwegen und Irland belegen, wie Economix (NYT) berichtet.


 Produktivität pro Stunde, Graph: Bureau of Labor Statistics (BLS)

Was ist eigentlich mit dem Ziel „Vollbeschäftigung“ geschehen?

Boston Review bietet zum Thema „Vollbeschäftigung“ ein Forum, wo Ökonomen Reihan Salam, James K. Galbraith, Ruy Teixeira, Lane Kenworthy und viele andere Meinungen austauschen. Im Vorwort („Back to Full Employment“) gibt Robert Pollin eine Übersicht über die Geschichte des Fachbegriffs. Reihan Salam zeigt in seinem Essay („Open the Labor Market“) das Problem der Verwendung von angebotsseitigen Argumenten zum Verständnis der Krise. Er erwähnt dabei keine einzige nachfrageseitige Konzeption, sei es Geld- oder Fiskalpolitik. Stattdessen konzentriert er sich auf das Arbeitskräfteangebot. Jamie Galbraith befasst sich in seinem lesenswerten Essay („Polices for Today’s World“) mit der Geschichte des „Humphrey-Hawkins Full Employment and Balanced Growth Act“ (1978). 

Mittwoch, 26. Januar 2011

Bankenregulierung und Kapitalregulierung

Regulatoren wissen, dass Betrug ein schwerwiegendes Problem ist. William K. Black berichtet in einem lesenswerten Essay („Why our Fundamental Approach to Banking Regulation is Inherently Unsound“) in Benzinga über die NASAA-Konferenz in Charleston (SC), wo er vergangene Woche als Hauptredner aufgetreten ist. Das Thema, welches Black zum Ausdruck bringt, ist „Sicherheit und Solidität“ in Sachen Bankenregulierung. Die NASAA (North American Securities Administrators Association), welche die Stimme der bundesstaatlichen Wertpapier-Behörden repräsentiert, ist für eine effiziente Kapitalbildung und Anlegerschutz verantwortlich.  Die Behörde schickt jedes Jahr Hunderte von Betrügern ins Gefängnis. „Unser aktueller Ansatz zur Bankenregulierung exponiert uns zu immer wiederkehrenden, sich intensivierenden Finanzkrisen“, bemerkt der an der University of Missouri, Kansas City, lehrende Rechtsprofessor. Die gute Nachricht ist, dass Basel III, weil wir mit Basel II ein Allzeit-Tief erreicht haben, fast schon eine Verbesserung bedeutet. Die schlechte Nachricht ist, dass Basel III nicht die grundlegenden Annahmen, die dem Basler Prozess unterliegen, nach-untersucht. Als Ergebnis wird Basel III zu einer Variante eines üblichen, unwirksamen Themas über die Bankenregulierung, die von Ökonomen und der Industrie entwickelt wurde, legt der ehem. Senior Regulator während der S&L-Krise.

Dienstag, 25. Januar 2011

Double-Dip BIP: Grossbritannien scheitert am Sparkurs

Die britische Wirtschaftsleistung kommt nicht vom Fleck. Wie das Nationale Statistikbüro heute mitgeteilt hat, ist das BIP im IV. Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,5% geschrumpft. Die Mehrzahl der Analysten hatte mit einem Anstieg um 0,5% gerechnet. Im III. Quartal war das BIP noch um 0,7% gewachsen. Der rigorose Sparkurs, der von der Koalitionsregierung (Konservative und Liberaldemokraten) eingeschlagen wurde, um die Ausgaben bis 2015 um mehr als 80 Mrd. Pfund zu senken, scheint damit kläglich gescheitert. Die britische Regierung schiebt die Schuld dem schlechten Wetter in die Schuhe: „Blaming the weather. How very british!“, bemerkt FT Alphaville dazu kurz.

Grossbritannien BIP-Entwicklung, Graph: Office for National Statistics

Benchmark Emission: EFSF begibt die erste Euro-Anleihe

Die Zweckgesellschaft EFSF (European Financial Stability Facility) hat heute die erste Euro-Anleihe begeben, um die Kreditvergabe an Irland zu finanzieren. Die Emission ist auf ein reges Interesse der Investoren gestossen. Für die Papiere mit 5 Jahren Laufzeit im Volumen von 5 Mrd. Euro gingen laut  Bloomberg Gebote mit einem Volumen von mehr als 40 Mrd. Euro ein. Bei der Emission ergab sich eine Rendite von 2,75%, d.h. rund 46 Basispunkte über German Bunds. Der Renditeaufschlag betrug aufgrund der hohen Nachfrage 6 Basispunkte über dem 5-jährigen Interbankensatz (mid swaps).

Volumen: 5 Mrd. Euro
Kupon: fest
Laufzeit: 18. Juli 2016
Abwicklung: 01. Februar 2011
Bücher: >43 Mrd. Euro + 500 Interessenten

IWF-Global Financial Stability Report (GFSR)

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat heute seinen Global Financial Stability Report (GFSR) veröffentlicht. Demnach ist die Stabilität der globalen Finanzmärkte fast vier Jahre nach Beginn der grössten Finanzkrise seit der Grossen Depression immer noch nicht gewährleistet. Die wesentlichen politischen Herausforderungen müssen noch angegangen werden, so der IWF. Die Bilanzrestrukturierungen sind unvollständig und sie kommen langsam voran. Die Hebelwirkung (leverage) ist noch immer hoch. Die Interaktion zwischen Banken und Länderrisiken (sovereign credit risks) in der Eurozone bleibt ein kritischer Faktor. Daher sind Massnahmen notwendig, um die Schwachstellen in fiskalischer Hinsicht und im Bankensektor anzugehen. Auf globaler Ebene sind Gesetzesänderungen erforderlich, um den Finanzsektor auf eine solidere Grundlage zu stellen.


Länder CDS-Spreads, Graph: IWF, Global Financial Stability Report, Jan 2011

Ungleichheit versus Wirtschaftswachstum

Die britische Wirtschaftszeitschrift The Economist fragt, was der richtige Weg ist, um über den Anstieg der globalen Super-Reichen zu denken? Gibt es einen Grund, sich über die jüngsten Veränderungen in der Einkommensverteilung in Amerika Sorgen zu machen? Gibt es Grund, zu glauben, dass die Ungleichheit zur finanziellen und wirtschaftlichen Instabilität beiträgt? Mark Thoma, Scott Sumner, Konstantin Sonin und Michael Heise antworten. Es gibt Hinweise, dass soziale Missstände zunehmen, wenn Ungleichheit weiter wächst. Ein hohes Mass an Ungleichheit kann auch auf die Wirtschaft negativ auswirken. „Wir wissen, dass eine Gesellschaft mit vollkommener Gleichheit nicht mit der schnellstmöglichen Geschwindigkeit wächst“, schreibt Mark Thoma. Wenn jeder einen gleichen Anteil am Einkommen hat, verlieren die Leute den Anreiz, zu versuchen, voranzukommen. Wir wissen ferner, dass auch eine Gesellschaft, in der eine Person fast alles hat, während alle anderen ums Überleben kämpfen, nicht mit der schnellstmöglichen Geschwindigkeit wachsen kann, argumentiert der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Montag, 24. Januar 2011

Israelische Zentralbank erhöht Benchmark-Zins auf 2,25 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat heute erstmals seit vier Monaten ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 2,25% angehoben. Die Konsumentenpreise (CPI) sind im Dezember annualisiert auf 2,7% gestiegen. Der Zinsentscheid steht laut BoI im Einklang mit dem schrittweise erfolgenden Prozess der Rückkehr der Zinsen auf ein „normales“ Niveau, in der Absicht, die Inflation im Zielbereich fest zu verankern und zur Erholung der Wirtschaft weiter beizutragen, bei gleichzeitiger Unterstützung der Stabilität des Finanzsystems.

„Der Pfad der Zinserhöhungen ist nicht vorgegeben, sondern werde im Einklang mit dem Inflationsumfeld, dem Wirtschaftswachstum in Israel und weltweit, mit der Geldpolitik der führenden Zentralbanken und der Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel bestimmt“, so die israelischen Währungshüter heute in einer Pressemitteilung. Die Geldpolitik bleibt also auf dem gegenwärtigen Niveau der Zinsen weiterhin expansiv.


Israel Benchmark Lending Rate, Graph: Bloomberg.com

Die willkürliche Auswahl der Inflationswerte durch die EZB

In einem Interview mit dem WSJ warnt Jean-Claude Trichet, EZB-Präsident vor dem jährlichen Treffen des World Economic Forum in Davos (Schweiz) vor dem Inflationsdruck, der v.a. weltweit von höheren Energie- und Nahrungsmittelpreisen verursacht werde. Das ist angesichts der anhaltenden Schuldenkrise in der Euro-Zone eine interessante Entwicklung. Eine Zinserhöhung durch die EZB dürfte EU-Ländern an der Peripherie, die bereits mit einer Debt-Deflation-Spirale ringen, bestimmt zusätzliches Leiden hinzufügen. Wie die Abbildung zeigt, hat die Inflation in der Euro-Zone so verlaufen wie die Inflation in den USA: niedrige und sinkende Kerninflation (core inflation) angesichts einer angeschlagenen (depressed) Wirtschaft, aber stark schwankende Inflationsrate (headline inflation) um den Trend mit Schwankungen der Rohstoffpreise. Trichet sagt aber, dass die Kerninflation nicht unbedingt ein guter Prädiktor ist.


Inflation und Kern-Inflation in der Euro-Zone, GraphProf. Paul Krugman

Warum das Rattenrennen der Nationen dumm ist

Das neue Modewort in Washington ist die alte, abgedroschene Phrase: Wettbewerbsfähigkeit. Präsident Barack Obama hat vergangene Woche die Einrichtung eines neuen Ausschusses für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit (The Council for Jobs and Competitiveness) angekündigt. Jeffrey Immelt, der Vorstandsvorsitzende von General Electric (GE) wurde zum Vorsitzenden des Beratergremiums berufen. „Das mag eine intelligente Politik sein, aber machen wir uns nichts vor: Wettbewerbsfähigkeit als Ziel ist grundsätzlich irreführend. Im schlimmsten Fall beruht die Politik auf der falschen Vorstellung, dass das, was für Unternehmen gut ist, gut für Amerika ist“, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („The Competition Myth“) in NYT. Die Frage im Hinblick auf die Fehldiagnose ist, welchen Sinn es macht, anzunehmen, dass die gegenwärtigen Probleme aus Mangel an Wettbewerbsfähigkeit stammen? „Es stimmt, dass wir mehr Arbeitsplätze hätten, wenn wir mehr exportieren und weniger importieren würden. Aber das gilt auch für Europa und Japan, wo die Wirtschaft ebenfalls deprimiert ist“, legt Krugman dar.

Sonntag, 23. Januar 2011

Gegen Keynes’ Kreuz

Ist die Konzeption der gesamtwirschaftlichen Nachfrage nun im Fadenkreuz? „Aktuelle Fiskal- und Geldpolitik in den USA und in Europa bergen die Gefahr einer zunehmenden staatlichen Kontrolle über die nationalen Volkswirtschaften, was in einer Schwächung der politischen Kraft in der ganzen westlichen Welt mündet“, sagt Vatikans Top-Banking-Experte. In der Ausgabe vom 14. Januar der Zeitung Vatikans, L’ Osservatore Romana, warnt Tedeschi vom wachsenden Einfluss der keynesianischen ökonomischen Theorie auf beiden Seiten des Atlantiks.



Keynes’ Kreuz (AD = Aggregate Demand), GraphWikipedia

USA: Finanzlage der Haushalte

Der durch die jüngste Rezession ausgelöste Rückgang des Vermögens der amerikanischen privaten Haushalte hat zu einer deutlichen Einschränkungen der Ausgaben geführt. Nach einem Höhepunkt im Juni 2008 sind die Konsumausgaben deutlich (3,4%) gesunken, bis sie im März 2009 die Talsohle erreicht haben. Seit dieser Zeit haben die Ausgaben der privaten Haushalte das Wachstum wiederaufgenommen und sie sind um 2,7% über den Höhepunkt der Vor-Rezession geklettert, berichtet Emre Ergungor und Beth Mowry in einem aktuellen Research-Paper der Federal Reserve Bank of Cleveland.


Haushaltswohlstand und Verbrauch, Graph: Emre Ergungor und Beth Mowry,  Fed Cleveland

PS: Wohlstand ist als Nettovermögen der Haushalte definiert. Einkommen ist als verfügbares persönliches Einkommen definiert.

USA AG: Wettbewerb als Dogma?

Präsident Barack Obama hat diese Woche Jeffrey Immelt, den Vorstandsvorsitzenden von General Electric (GE) an die Spitze eines neuen Ausschusses für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit berufen. Schon der Name ist bezeichnend: The Council on Jobs and Competitiveness. Der Ausschuss ersetzt den President’s Economic Recovery Advisory Board, den Obama nach seinem Amtsantritt erstellt hat, um die schwerste Rezession seit der Grossen Depression zu bekämpfen. Immelt schreibt in einem inhaltsleeren Artikel (“A blueprint for keeping America competitive“) in The Washington Post, dass er die Vereinigten Staaten zu wettbewerbsfähigsten und innovativsten Wirtschaft machen will. Der 54 Jahre alte GE-Vorstandsvorsitzende steht Republikanern nahe und bezeichnet den ehem. Präsidenten Ronald Reagan als „persönlichen Helden“. Allem Anschein nach schickt sich Obama an, „Wettbewerbsfähigkeit“ zu seinem wichtigsten wirtschaftlichen Thema zu machen. Es könnte schlimmer kommen. Aber "es ist ein abgedroschenes Zeug, was ein grundlegendes Missverständnis über die Natur der wirtschaftlichen Probleme beinhaltet", wie Paul Krugman in  seinem Blog bemerkt.

Samstag, 22. Januar 2011

Berichtssaison: Unternehmensgewinne versus Beschäftigung

Wirtschaftliche Indikatoren wie Produktion, Konsum, Verbrauchervertrauen und Investitionen zeigen in den letzten Monaten eine Verbesserung. Die Unternehmensgewinne weisen Rekordgewinne auf. Warum kommt aber der Arbeitsmarkt kaum vom Fleck? Wird die Arbeitslosigkeit ein strukturelles Merkmal der neuen Wirtschaft nach der Erholung verbleiben? The NYT unter der Rubrik (Room for Debate) sucht nach Antworten und fragt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Ökonomen wie Tyler Cowen, Laura Tyson, Mark Thoma und Simon Johnson, warum die Beschäftigung sich nicht erholt. Simon Johnson deutet darauf hin, dass die Unternehmensgewinne (real) im Nicht-Finanzsektor in den nacheinander erfolgenden Rezessionen von 1980-1982 um rund 30% gesunken sind und im meisten Jahrzehnt damit gerungen haben, sich zu erholen. Die Gewinne in dem Ausmass konnten das Niveau der späten 1970er Jahre bis in die frühen 1990er Jahre nicht übersteigen. Der Umschwung im Finanzsektor war im selben Zyklus sogar noch dramatischer. Gewinne in diesem Sektor sind real von 1979 bis 1980 um 50% gefallen. Die Wiedererlangung gelangt erst in den späten 1970er bis 1987, schildert der ehem. Chefökonom des IWF.

USA: Anzahl der Bankschliessungen klettert auf sieben im diesem Jahr

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag laut Washington Post vier Banken in North Carolina, South Carolina, Georgia und Colorado geschlossen. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2011 verstaatlicht wurde, auf 7 gestiegen, nachdem im Vorjahr insgesamt 157 Banken gescheitert sind.

Die verstaatlichten vier Banken verfügen über ein Anlagevermögen von insgesamt  2'786 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen vier Banken belaufen sich für die öffentliche Hand auf 454,50 Mio. $.

Bankpleiten:
2011: 7
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 21. Januar 2011

Mehr Boni als Gewinn

Die US-Grossbank Goldman Sachs hat im vergangenen Jahr einen Gewinn von 8,35 Mrd. $ (13,18$ je Aktie) erzielt. Das bedeutet einen Rückgang um 38% gegenüber dem Jahr 2009. Die Einnahmen sind in der Vergleichsperiode um 13% auf 39 Mrd. $ gefallen. Die Mitarbeiter dürfen sich aber auf die Vergütung freuen. Im Schnitt bekommt jeder Beschäftigte 430'000 US-Dollar an Boni. Die Summe der Entschädigung der Mitarbeiter liegt mit 15,38 Mrd. $ deutlich höher als der Jahresgewinn der Bank. Dicke Vergütungen für die Mitarbeiter sowie hohe Dividenden für die Aktionäre helfen Banken, übermässigen Fremdkapitaleinsatz (excessive leverage) zu rechtfertigen. „Hätten die Banken einen Teil der Dividenden zurückbehalten, die sie in den Jahren 2007 und 2008 ausgezahlt haben, wäre wesentlich weniger staatliche Unterstützung im Rahmen des TARP (Trouble Asset Relief Program) erforderlich gewesen“, schreibt Anat Admati in einem lesenswerten Essay („Dividends can wait until banks are stronger“) in FT. Eine typische Bank finanziert heute 95% ihrer Investitionen mit Fremdkapital und weniger als 5% davon mit Eigenkapital. Ein kleiner Einbruch im Wert von Aktiva (assets) kann zu einem Stress und einer möglichen Insolvenz führen. Der wütende Schuldenabbauprozess (de-leveraging) hat gezeigt, wie stark fremdfinanzierte und vernetzte (interconnected) Banken eine Krise auslösen können, argumentiert die an der Standford University lehrende Wirtschaftsprofessorin.

SNB: Was bedeutet der Verlust von 21 Mrd. Franken?

Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat am vergangenen Freitag mitgeteilt, dass sie für das Jahr 2010 einen Verlust von 21 Mrd. Franken erwartet. Hauptursache sind die Wechselkursverluste auf Devisenanlagen. Doch einen so hohen Verlust hatte die SNB noch nie hinnehmen müssen. Deswegen geriet die Nationalbank in Kritik, obwohl sie während der Finanzkrise eine hervorragende Arbeit geleistet hat: Es gibt in der Schweiz keine Inflation. Die Deflationsgefahr ist erheblich abgemildert worden. Das Wirtschaftswachstum ist nicht schlecht. Wie ist der Verlust aber zu bewerten? „Mit Blick auf die Wechselkursverluste und den aktuellen Eurokurs ist die Versuchung gross, zu argumentieren, die SNB hätte keine Devisen kaufen sollen oder sie habe zu früh gehandelt und den Euro zu einem zu hohen Kurs gegen Franken gekauft“, sagte Philipp Hildebrand, SNB-Präsident gestern in einem Vortrag in Zürich. Hildebrand wird in der Schweiz v.a. von der rechten Seite des politischen Spektrums hemmungslos angegriffen. Der SNB-Chef habe mehr Geld verbrannt als die UBS, lautet der absurde Vorwurf der Rechten.

Wenn Nachfrage mit Angebot verwechselt wird

In der Debatte über die aktuelle Wirtschaftskrise taucht seit geraumer Zeit ein Argument auf, wonach das Wirtschaftswachstum 2000-2007 nicht „real“ war, weil wir eine Bubble hatten und einige Marktteilnehmer zu viel Fremdkapital aufgenommen haben. Alles sei daher nur ein Hirngespinst gewesen. Das ist Verwechslung der Nachfrage mit dem Angebot, bemerkt Paul Krugman dazu in seinem Blog. Es wurden tatsächlich Waren und Dienstleistungen hergestellt, die zum BIP zugerechnet worden sind. Das war möglich, weil es bereitwillige Arbeitskräfte gab, ein ausreichendes Kapital, die richtige Technologie usw. Was wahr ist, dass einige der Ausgaben, die Nachfrage nach diesen Waren und Dienstleistungen geschaffen haben, fremdfinanziert waren. Und diese Schuldner können jetzt nicht weiterhin Geld so ausgeben, wie sie es getan haben. Das bedeutet aber nicht, dass die Kapazität irgendwie aufhört, zu existieren, beschreibt Krugman.

Produktionsverluste in Folge der Finanzkrise

Damit wir nicht vergessen, wie viel uns die durch wilde Deregulierung und unverantwortliche Fiskalpolitik induzierten Krisen und Grosse Rezession im Hinblick auf die Produktion (output) gekostet haben und wie schwierig der Weg zur Erholung bleibt, präsentiert Menzie Chinn in seinem Blog die folgende anschauliche Abbildung über die Produktionslücke (output gap). „Das ist sehr wichtig, da bestimmte Kräfte versuchen, die Regulierung der Finanzmärkte im Weg von „defunding auszuklammern“, erklärt Chinn. Der an der Wisconsin University lehrende Wirtschaftsprofessor berechnet den kumulierten BIP-Verlust (im Verhältnis zum potentiellen BIP) anhand von CBO-Projektionen (Januar 2010) vom IV. Quartal 2007 bis zum I. Quartal 2014: 3,53 Billion $ (2005), d.h. 11'349 $ (2005) pro Person oder 12'604 $ zu gegenwärtigen Werten.


Produktionslücke (Output Gap), GraphProf. Menzie Chinn

Donnerstag, 20. Januar 2011

Haben die Armen die Krise verursacht?

Die Armen haben die Krise selbstverständlich nicht verursacht. Da die USA den Eigenheimerwerb schon seit langem subventionieren, insbesondere über die Steuerabzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen, gibt es einen Mythos, die Rolle des Staates zu überbewerten. Die Republikaner, die sich auf den Standpunkt stellen, dass „der Staat Problem und der Markt Lösung“ ist, melden sich seit Dezember im Untersuchungsausschuss (FCIC: Financial Crisis Inquiry Commission) zu Wort, dass eine fehlgeleitete Regierungspolitik, Eigenheimquote bei den relativ armen Leuten zu steigern, viele armen Leute dazu veranlasst habe, Subprime-Hypotheken abzuschliessen, die sie sich nicht leisten konnten. Die Republikaner greifen dabei namentlich Fannie Mae und Freddie Mac an. Das sind staatsnahe Unternehmen, die Eigenheimkredite mit Garantien verschiedener Art fördern. „Fannie Mae und Freddie Mac waren zu gross, um sie scheitern zu lassen, was es ihnen ermöglichte, selbst billigere Kredite aufzunehmen und grössere Risiken einzugehen“, bemerkt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Did the Poor Cause the Crisis?“) in Project Syndicate. „Doch während die GSE (government-sponsored enterprises) ins Geschäft mit fragwürdigen Hypotheken (insbesondere mit Alt-A-Hypotheken) einstiegen, waren dies relativ kleine Sachen“, erklärt der ehem. Chefökonom des IWF

Banken: Dividenden können warten

Amerikanische Banken, ermutigt durch einen guten Start in die Berichtssaison, haben Juckreiz, Kapital an die Aktionäre zurückfliessen zu lassen. Die US-Notenbank dürfte Dividendenerhöhungen für viele Banken bald wieder zulassen. „Die Aktion ist abwegig“, schreibt Anat Admati in einem lesenswerten Essay („Dividends can wait until banks are stronger“) in FT. „Es stellt die Bedürfnisse der Banker und ihrer Aktionäre vor die der Wirtschaft“, hält die an der Standford University lehrende Professorin für Finanz und Wirtschaft. „Zahlung von Dividenden hilft Banken, hohe Hebelwirkung (leverage) aufrechtzuerhalten“, argumentiert Admati.

Euro-Krise: Notfallplan für Umschuldung?

Die Bundesregierung arbeitet an einem Plan für eine Umschuldung Griechenlands, berichtet die Wochenzeitung Die Zeit. Demnach soll Athen erlaubt werden, griechische Staatsanleihen zurückzukaufen (buy back). Die nötigen Mittel (funding) werden aus dem Europäischen Stabilitätsfonds (EFSF) zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug will Berlin Zusagen für eine „stabilitätsorientierte Politik“ fordern. Das deutsche Finanzministerium hat inzwischen die Gerüchte über Umschuldungspläne ausdrücklich dementiert. Die Beteiligung des privaten Sektors am Krisenmechanismus sei erst ab Sommer 2013 geplant, wenn der EFSF durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst wird. Ein Rückkauf (buy back) von Staatsanleihen zum aktuellen Marktwert (unter pari) könnte Griechenland in der Tat erhebliche Einsparungen bringen. Die Gläubiger würden jedoch durch den Verkauf der Anleihen (unter pari) an Griechenland beträchtliche Verluste erleiden. Analysten schätzen den fiktiven (notional) der ausstehenden griechischen Papiere auf rund 234 Mrd. Euro.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Anleihemärkte im Sog von Asset Allocation

Die Anleihemärkte sind vergangene Woche ausgezählt worden, schreibt Jim Caron von Morgan Stanley in seinem aktuellen Research Paper. Die Abflüsse, die im November begonnen und im Dezember ihren Höhepunkt erreicht haben, halten 2011 an. Das Thema ist Asset Allocation. Es gibt zwei Ursachen: (1) Signifikante Daten im IV. Quartal 2010: Wirtschaftswachstum und Inflationsprognosen mit freundlicher Genehmigung der grossen geld- und fiskalpolitischen Impulse, und (2) Technische Faktoren: Das Marktumfeld um die Kommunalanleihen (muni bonds) im Angesicht der steuerrechtlichen Behandlung der sog. Build America Bonds (BAB). Das Ergebnis: Der grösste monatliche Abfluss aus Rentenfonds seit der Subprime-Krise im Jahr 2008. Welche Bedeutung haben die Abflüsse? Die Geschichte lehrt, dass es im Markt für Rentenfonds selten zu Abflüssen in dieser Grössenordnung kommt, erklärt Caron.


Abfluss aus Rentenfonds (USA), Graph: Jim Caron, Morgan Stanley

EZB-Warnung vor Inflation hat katastrophale Auswirkungen

Paul Krugman erklärt in seinem Blog anhand eines stilisierten Beispiels, warum die aktuelle Warnung des EZB-Präsidenten vor Inflation eine schlechte Nachricht für die Länder an der EU-Peripherie ist. Angenommen besteht die Euro-Zone aus nur zwei Ländern: Deutschland und Spanien. Ferner gehen wir aus zwei weiteren Annahmen aus: (1) Deutschlands Wirtschaft ist dreimal so gross wie die von Spanien, sodass Deutschlands Inflation ¾, Spaniens ¼ der gesamten Inflation ausmacht. (2) Vergangene Ereignisse haben dazu geführt, dass die Löhne und Preise in Spanien um 20% (logarithmisch) höher liegen im Vergleich zu Deutschland. PS: Warum logarithmisch? Damit wir mit prozentualen Veränderungen arbeiten können, ohne uns um Aufzinsung (compounding) kümmern zu müssen.

Die Rolle des US-Dollars im Weltwährungssystem

Charles Kindleberger pflegte zu sagen: „Wer zu viel Zeit damit verbringt, über internationales Geld nachzudenken, wird wahnsinnig“. Kritiker der US-Notenbank (Fed) behaupten zur Zeit, dass der US-Dollar sich, seitdem Ben Bernanke die QE II-Politik gestartet hat, massiv abgewertet hat. Das stimmt natürlich nicht. Der US-Dollar legte, nachdem die Finanzkrise ausbrauch, zunächst kräftig zu, um dann wieder nachzulassen, und zwar mehr oder weniger auf das Niveau vor der Rezession, wie  Paul Krugman anhand der folgenden Abbildung deutlich vor Augen führt. Im Vergleich zu Bush-Ära handelt es sich dabei um geringe Schwankungen. Der Greenback ist nämlich während der Amtszeit von Präsident Bush buchstäblich abgerutscht.


US-Dollar Wechselkurs Verlauf, GraphProf. Paul Krugman

Dienstag, 18. Januar 2011

Warum die Arbeitsproduktivität trotz Arbeitslosigkeit steigt

Ein faszinierendes Thema, mit dem eine Reihe von namhaften Ökonomen sich in den USA derzeit befassen, ist das Produktivitätswachstum, welches sich in den vergangenen Rezessionen gewöhnlich verlangsamt hat, weil die Unternehmen Arbeitskräfte gehortet hatten. Warum steigt aber das Produktivitätswachstum heute? Alex Tabarrok findet sich in der ungewöhnlichen Position, näher an Paul Krugman und Scott Sumner zu sein, als Tyler Cowen, was die Frage im Hinblick auf das Grenzprodukt (= Null) der Arbeitnehmer betrifft. Die ZMP-Hypothese bedeute Tabarroks Ansicht nach nahezu eine Ablehnung der Theorie der komparativen Vorteile. Der Terminus ZMP (zero marginal product) legt nahe, dass das Problem die Produktivität der Arbeitslosen ist, wenn das eigentliche Problem i.d.R. mit der Wirtschaft zu tun hat, beschreibt Tabarrok weiter. Wären die Löhne weniger „klebrig“ (sticky wages), würden die Arbeitslosen eine Beschäftigung finden, argumentiert der an der Virginia’s George Mason University lehrende Wirtschaftsprofessor, der mit Tyler Cowen den Wirtschaftsblog marginal revolution betreibt.


Arbeitslosigkeit versus Produktivität (1950-1970), Graph: Prof. Brad DeLong


Warum Eigenkapital für Banken nicht teuer ist

In der Debatte um die Regulierung der Eigenmittel der Banken gibt es ein weit verbreitetes Gefühl, dass das „Eigenkapital teuer“ ist und die erhöhten Eigenmittelanforderungen, während sie Nutzen bringen, mit Kosten verbunden seien. Die Argumente, die im diesem Zusammenhang auftreten, werden von Anat Admati, Peter DeMarzo, Martin Hellwig und Paul Pfleiderer in einem Research-Paper („Fallacies, Irrelevant Facts und Myths in the Discussion of Capital Regulation: Why Bank Equity is NOT Expensive“), welches für das The Rock Center for Corporate Governance at Standford University (Working Paper Series No. 86) im Oktober 2010 veröffentlicht wurde, im einzelnen überprüft. Die erwähnten Experten kommen zum Schluss, dass diese Argumente trügerisch, irrelevant oder einfach falsch sind. Die Analyse fasst zusammen, dass deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen grossen sozialen Nutzen mit sich bringen, und, wenn überhaupt, nur minimale Kosten nach sich ziehen. Einige der Argumenten gegen hohe Eigenkapitalanforderungen werden im Folgenden aufgestellt und erläutert, warum sie entweder falsch sind oder nicht gestützt werden.


Alternative Antworten auf erhöhte Eigenkapitalanforderungen, Graph: Standford University Working Paper Series No. 86: “Fallacies, Irrelevant Facts und Myths in the Discussion of Capital Regulation: Why Bank Equity is NOT Expensive”.

Montag, 17. Januar 2011

Vernichtet Regulierung Arbeitsplätze?

Das neue Mantra der Republikanischen Partei ist das alte Mantra: Regulierung ist ein „Job Killer“, schreibt William K. Black in einem lesenswerten Essay („The Anti-Regulators Are the Job Killers“) in Huffington Post. „Dabei haben wir gerade die epische Fähigkeit der Anti-Regulatoren erlebt, mehr als 10 Mio. Arbeitsplätze zu vernichten“, bemerkt der an der University of Missouri lehrende Rechtsprofessor. „Deregulierung (deregulation), Abbau von Aufsicht (desupervision) und de facto (decriminalization) Entkriminalisierung (die drei „des“) haben eine kriminogene Umgebung geschaffen, die die moderne Finanzkrise angetrieben hat. Die drei „des“ waren wesentlich für die Schafffung von Epidemien des institutionalisierten Betrugs („control fraud“), was die Blase (bubble) aufgeblasen und folglich die Grosse Rezession ausgelöst hat. „Job killing“ ist eine Kombination aus zwei Faktoren: (1) Verlust von Arbeitsplätzen und (2) Schaffung von Arbeitsplätzen. Black konzentriert sich hier ausschliesslich auf die Jobs im privaten Sektor. Aber es gilt in Erinnerung zu rufen, dass die Rezession auch im öffentlichen Sektor in Sachen Abbau von Arbeitsplätzen verheerend war.


Der private Sektor: Gewinn und Verlust an Arbeitsplätzen (annualisiert), Graph:  Prof. William K. Black