Dienstag, 4. September 2012

Welche „Währungskriege“?


Fred Bergsten und Joseph Gagnon schreiben in einem Artikel (“Time for a fightback in the currency wars”) in FT, dass die am häufigsten übersehene Ursache der Konjunkturschwäche in den USA und Europa die “globalen Währungskriege” (global currency wars) sind. Würden alle Interventionen am Devisenmarkt aufhören, würde sich das Handelsbilanzdefizit der USA nach Schätzung der Autoren um 150 bis 300 Mrd. $ verringern, was 1 bis 2% des BIP entspricht.

Die Autoren, die beim Peterson Institute for International Economics tätig sind, bezeichnen China als bei weitem den grössten „Währung-Aggressor“ (currency aggressor). Bergsten und Gagnon unterscheiden drei Gruppen: (1) China und andere asiatische Länder wie z.B. Japan, Singapur, Taiwan, Korea, Hongkong, Thailand und Malaysia, (2) die bedeutenden Ölexporteure wie z.B. die Vereinigte Arabische Emirate, Russland, Norwegen, Saudi-Arabien, Kuwait und Algerien, und (3) die reichen Länder, die in der Nähe der Eurozone sind,  wie z.B. Schweiz, Dänemark und Israel.

Die genannten Länder werden laut Autoren durch schnell wachsende Fremdwährungsreserven und erhebliche Leistungsbilanzüberschüsse gekennzeichnet. Die Länder kaufen US-Dollar und Euro, um die eigene Währung abzuwerten und das eigene Exportgeschäft zu fördern. Dadurch werden die Ausfuhren subventioniert und die Einfuhren besteuert, argumentieren die Autoren weiter. „Diese Taktik exportiere Arbeitslosigkeit an den Rest der Welt“, behaupten Bergsten und Gagnon.

Auf die Kritik, dass die USA die Währungskriege durch ihre unkonventionelle Geldpolitik (genannt QE: quantitative easing) anheizen, antworten die Autoren, dass die US-Initiative ausschliesslich in US-Dollar stattfinde und Konsum und Investitionen in den USA ankurbeln wolle. Jede Auswirkung auf den Wechselkurs sei zweitrangig.

Sowohl die SNB als auch die BoI kaufen im Sog der Euro-Krise Devisen am Markt, um die expansive Geldpolitik fortzusetzen. Denn wenn die Geldpolitik nicht mehr eingesetzt werden kann, weil der Nominalzins bereits nahe an der Nullgrenze liegt (Liquiditätsfalle), haben die Zentralbanken die Option, auf sog. unkonventionelle Massnahmen zurückzugreifen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wiederzubeleben.

Die Festlegung eines Mindestkurses durch die SNB gilt vor diesem Hintergrund als eine ausserordentliche Massnahme in einer Extremsituation. Es handelt sich dabei nicht um einen Schritt in Richtung einer kompetitiven Abwertung, um unfaire Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Die Begründung für den Einsatz solcher Mittel ist ökonomisch eindeutig. Die SNB kommuniziert darüber transparent. Der SNB-Präsident Thomas Jordan legt Wert darauf, dass die Ziele und die Motivation dieser Massnahme von den Märkten und ausländischen Zentralbank verstanden werden.

Angesichts der Fragmentation der Euro-Zone funktioniert der Devisenmarkt nicht mehr ordentlich. Der Mindestkurs dient dazu, Störungen entgegenzuwirken und die damit verbundenen Kosten für die Schweizer Wirtschaft abzuwenden. Die SNB will mit der am 6. September 2011 festgelegten Untergrenze die fatalen Auswirkungen der von Brüssel im Euro-Raum verordneten drakonischen Sparmassnahmen mildern.

Für die hohe Arbeitslosigkeit im Euro-Raum sind nicht die Interventionen der SNB und/oder BoI am Devisenmarkt verantwortlich, sondern die harsche Austeritätspolitik, die die EU für Europa mitten in einer schweren Depression wider besseres Wissen vorschreibt. Denn der Aufschwung, nicht der Abschwung ist der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen. Weil die EU genau das Gegenteil macht, herrscht im Euro-Raum hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dazu kommt, dass die EZB sich weigert, als lender of last resort zu agieren.

Wie Paul Krugman und Paul De Grauwe überzeugend argumentieren, würden die Länder an der EU-Peripherie heute gern abwerten, wenn sie eigene Landeswährung hätten statt die Gemeinschaftswährung, um die Kosten und die Preise zu korrigieren (d.h. zu senken), die wegen der wachsenden Lücke in Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Raum gestiegen sind. 

Die Schweiz und Israel als „currency aggressors“ zu bezeichnen, ist daher abwegig.

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